Doppelpass mit der Weltgeschichte
Die Kleeblatt Anekdoten

Geschichte lebt davon, erzählt zu werden. In einer Zeit in der der Ball beim Kleeblatt ruht, wollen wir den Blick auf einige außergewöhnliche Kapitel der Vereinsgeschichte werfen. Historische Erfolge, einzigartige Begegnungen und stille Helden leben in den Kleeblatt Anekdoten ein weiters Mal auf.
Die zehnte Anekdote der 17-teiligen Serie berichtet vom wahrscheinlich prominentesten Fan der Spielvereinigung.
Wenn nicht gerade das Kleeblatt spielt, ist rund um den Laubenweg nicht viel mehr los als in einer beliebigen Wohnstraße. Das ist heute nicht anders als damals, im Jahr 1998. Da fällt es auf, wenn tagelang Limousinen mit verdunkelten Scheiben durch die Straßen fahren und großgewachsene, bullige Herren in Nadelstreifenanzügen, mit Knöpfchen im Ohr und finsterem Blick, durchs Viertel streichen. Der Grund: Henry Kissinger hatte sein Kommen angesagt, eingeladen von Präsident Helmut Hack, der ihn ein Jahr zuvor in New York spontan besucht hatte.
Kissinger kam nach Fürth, um die Ehrenbürgerwürde entgegenzunehmen, dass er zuvor in den Ronhof kommen wollte, wussten nur wenige Eingeweihte. Und der Personenschutz sicherte die Gegend schon Tage zuvor. Wie würde er sein, der Professor, der Friedensnobelpreisträger, der ehemalige Außenminister der USA, der unter den Präsidenten Nixon und Ford der US-Regierung angehörte?
Kissinger war, 20 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Regierung, immer noch weltweit einflussreich. Und so durfte der Ronhof am Tage des Besuchs nur von wenigen ausgesuchten Personen betreten werden. Neben Helmut Hack gehörte dazu Horst Brandstätter, der Playmobil-Chef und Ronhof-Besitzer.
Hack und Brandstätter müssen ein wenig warten, bis die schweren Limousinen mit Kissinger und seinem Begleittross durchs Tor rauschen. Im Bauch der Tribüne gibt es Snacks, Kaffee und Kuchen. Doch der weitgereiste Gast will nur eins: Auf den Platz, auf den Rasen, aufs Spielfeld. Mit leuchtenden Augen steht er im schönsten Fürther Sonnenschein am Mittelkreis und erklärt den staunenden Zuhörern, wo er einst als Jugendlicher gestanden hatte: Drüben, auf der Gegengerade. Es sei meist sehr voll und laut gewesen, erinnert er sich. Und dann hat jemand einen Ball aufgetrieben – und der Weltpolitiker wird zum Kicker. Selbst den sonst so grimmig starrenden Personenschützern huscht ein Lächeln übers Gesicht, als ihr Schützling mit leuchtenden Augen die Kugel zu Helmut Hack kickt – der Kleeblatt-Präsident spielt Doppelpass mit der Weltgeschichte, und Kissinger ist glücklich. Glücklich, dass er an einem Sehnsuchtsort seiner Kindheit stehen kann, glücklich, dass die Spielvereinigung soeben wieder zurück ist im Profifußball. 2010, bei seinem vierten Besuch, spricht der bekannteste Kleeblatt-Fan der Welt, wieder auf dem Rasen stehend, den Satz aus, der bereits in die Annalen der Spielvereinigung eingegangen ist: „Dies ist mein Ronhof!“
Die Kleeblatt Anekdoten
- Teil I - Viktoria nach 154 Minuten
- Teil II - Getrennt fahren – zusammen feiern
- Teil III - Triumph des Taktik-Fuchses
- Teil IV - 1:0 in Barcelona - Die Furcht des grimmigen Prinzen
- Teil V - Einmaligkeit in Nürnberg
- Teil VI - Der Mühlburger Skandal
- Teil VII - Der Jäger des portugiesischen Tores
- Teil VIII - Aufbruch im Untergang
- Teil IX - Die hitzige Sensation