Martin Meichelbeck im Gespräch - Teil II

Profis
Donnerstag, 19.07.2018 // 10:29 Uhr

Weiter geht es mit dem ausführlichen Interview mit Martin Meichelbeck. Nach den medizinischen Themen im ersten Teil des Gesprächs, geht es in Teil II unter anderem um Sportpsychologie, Aufklärungsbedarf, aber auch um Sportwissenschaft.

Kannst Du uns auch mal einen Einblick in Deine Arbeit im sportwissenschaftlichen / athletischen Bereich geben?

Martin Meichelbeck: Auch hier besteht meine Aufgabe darin, Strukturen, Prozesse und Personal zu entwickeln, um die Spieler im Lizenzbereich und NLZ im athletischen Bereich zu fordern und zu fördern. Dazu zählen Ausrüstung, Equipment und neueste Techniken. Unsere Athletiktrainer Michael Schleinkofer im Profibereich und Florian Leihmeister im NLZ haben viel Freiraum in ihrer Tätigkeit und können viel Eigenes mit einbringen. Dennoch geben wir ihnen einen Rahmen vor und hier spielt natürlich der Cheftrainer eine große Rolle, der letztlich für die Intensität verantwortlich ist und den Athletiktrainer als wichtigen Partner für sich und das Team nutzt.

Wir haben die Leistungsdiagnostik bei IQ-MOVE, wo wir einheitliche Werte wie Körperzusammensetzungsanalyse, Laktat, maximale Sauerstoffaufnahme, etc. ermitteln und wir mit Pulsuhren im Alltag arbeiten. Wir haben jetzt noch ein Teamsystem mit reingenommen, um in der Trainings- und Belastungssteuerung noch genauer zu sein. Wir machen tägliche CK-Messungen, um zu sehen, in welchem Ermüdungs- oder Entzündungszustand sich die Muskulatur befindet. Und das geht weiter mit Messungen bei Sprints oder sportmotorischen Tests. Wichtig ist uns, dass wir im Stabilisations-, Kraft- und Schnellkraftbereich und der Sprintfähigkeit weiter zulegen. Insgesamt wird dem Trainerteam so ein Rahmen zur Verfügung gestellt, mit dem sie erfolgreich arbeiten sollen.

Kommen wir nun zum sportpsychologischen Bereich. Kannst Du uns und die Menschen ein bisschen aufklären, wie diese Arbeit am Menschen aussieht?

Martin Meichelbeck: In unserer Leistungsgesellschaft bekommen psychische Themen häufig nicht den Platz und Raum, den es eigentlich bräuchte und da rede ich nicht nur vom Fußball. In der 1. und 2. Bundesliga arbeitet vielleicht ein Fünftel mit psychologischer Unterstützung im Profibereich. In den NLZs werden komischerweise mehr Psychologen eingesetzt, um hier die Kriterien der Zertifizierung der NLZ zu erfüllen.

Wichtige Ressourcen werden nicht genutzt.

Ich bin aber der Meinung, dass hier wichtige Ressourcen nicht genutzt werden, denn der Kopf steuert und reguliert nun mal Vieles, dennoch wird dieser nicht gezielt trainiert. Technik, Taktik, Athletik, etc. dagegen schon. Ich bin froh darüber, dass wir bei uns schon vor fast neun Jahren ein anderes Denken entwickelt haben und sportpsychologische Arbeit etabliert ist, ohne große Berührungsängste.

Es besteht großer Aufklärungsbedarf.

In unserer Gesellschaft besteht bzgl. Psychologie ein großer Aufklärungsbedarf und es herrscht ein verzerrtes Bild in der öffentlichen Wahrnehmung. Sportpsychologie wird mit Psychotherapie/Psychiatrie gleichgesetzt oder Sportpsychologie sei nur für labile Sportler geeignet.  Ein Fußballprofi müsse seine Anliegen selbst lösen, da er sonst „mental zu schwach“ wäre. Man hatte auch unseriöse Darstellungen der Sportpsychologie in Form von willensschulenden Handlungen wie „Stangen verbiegen“ oder „über heiße Kohlen laufen“. Sportpsychologie ist aber neben der Physiotherapie, Ernährungsberatung, etc. ein wichtiger Baustein in der Unterstützung, Betreuung, Stabilisierung und im besten Fall Optimierung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Spieler.

In meinen 9 Jahren als Sportpsychologe für die SpVgg habe ich an die 350 Spieler aus dem Profi und Jugendbereich psychologisch betreut und jeder Spieler hatte hier seine eigenen Themen, da jeder Mensch nun mal ein Individuum ist.

Gehe auch aktiv auf die Leute zu.

Jetzt fragt sich der Außenstehende vielleicht, was macht der Meichelbeck mit denen?

Martin Meichelbeck: Das ist unterschiedlich und natürlich kann ich nicht vertrauliche Angelegenheiten der Spieler an die Öffentlichkeit geben. Ich bin ein Angebot für Trainer, Spieler oder auch Mitarbeiter des ganzen Vereins (Profis/NLZ), gehe aber auch aktiv auf die Leute zu, wenn mir Dinge im Verhalten auffallen. Manchmal geht es in einer beratenden Rolle um Entscheidungsprozesse, private Angelegenheiten, Krankheiten oder Trauerfälle in der Familie, dann auch mal in einer moderierenden Rolle um Konflikte zwischen Spieler-Trainer, Spieler-Spieler, Spieler-Sportdirektor, Spieler-Fans, etc. Ein sehr wichtiger Part ist eine regulierende Rolle, d.h. da geht es um Bewusstseinsschulung wie Selbsteinschätzung, Umgang mit Kritik, Selbstgespräche, Emotionen wie Ärger, Ängste oder Umgang mit Druck, Umgang mit Fehlern, Umgang mit Erfolg/Misserfolg, Professionalität, Körpersprache, Selbstvertrauen, Kommunikation auf dem Platz, usw.… Zuletzt nehme ich auch eine trainierende Rolle ein und mache häufig mit dem Einzelnen Mentales Training, d.h. wir trainieren Bewegungsabfolgen im Kopf, Entspannungstraining oder auch Zielsetzungstraining.

Ein sehr umfassendes Thema, können wir das mal auf ein praktisches Beispiel runterbrechen?

Martin Meichelbeck: Natürlich kam es in der Vergangenheit immer wieder vor, dass es Spielern nicht so gut ging. Es geht dann darum, mit den Spielern Strategien zu entwickeln, damit sie dann wieder gute Leistungen zeigen können. Ich bin eine Hilfe zur Selbsthilfe. Jeder Mensch ist für sein Denken, Fühlen und Handeln selbst verantwortlich. Ich kann ihn dabei unterstützen, andere oder neue Wege einzuschlagen. Wir hatten schon ausländische Spieler, die extremes Heimweh hatten, eigentlich schon nachts abreisen wollten und mir mitteilten, dass sie nicht trainingsfähig seien. Ich bin dann beispielsweise nachts ins Hotel gefahren, habe mit ihnen Wochen- und Lebenspläne mit Heimat und Beruf bei uns entwickelt, so dass sie sich immer mehr an die Aufgabe hier gewöhnen konnten.

Psychologie kann helfen, aber nichts garantieren.

Wenn dann diese Spieler Stammspieler bei uns werden, gute Leistungen zeigen und wir sie dann auch noch gewinnbringend verkaufen, glaube ich, dass die psychologische Arbeit ein wichtiger Baustein war. Das ist Hintergrundarbeit, die keine Öffentlichkeit mitbekommt und zum Schutz des Einzelnen auch nicht mitbekommen darf. Wenn wir Spieler mit geringem Selbstvertrauen haben, dann arbeiten wir viel in diesem Bereich, arbeiten alte Dinge auf und konnten Spieler neu ausrichten und mithelfen, dass sie wieder gute Leistungen zeigen. Dass das aber alles nicht immer funktioniert liegt in der Natur der Sache. Psychologie kann helfen, aber nichts garantieren. Und gerade im Fußball, der extrem ergebnisorientiert ist, beißt sich das oft mit prozessorientierter Arbeit der Psychologie.

Lasse mich selbst regelmäßig coachen.

Wie beurteilst Du die letzten Jahre auch im Hinblick auf Deine psychologische Unterstützung?

Martin Meichelbeck: Wir hatten in den letzten Jahren speziell nach der Relegation 2013 gegen den HSV immer wieder mal schwierige Phasen im Verein, sei es in der Rückrunde 2014 oder die komplette letzte Saison, die für alle extrem anstrengend und nervenaufreibend war. Dass dann alles und jeder und natürlich auch meine psychologische Arbeit sehr kritisch gesehen wird, weil die guten Ergebnisse ausbleiben, ist mir völlig klar und ein Teil des Geschäfts. Ich hinterfrage meine Arbeit sehr, hole mir sehr viel Rückmeldung und lasse mich selbst regelmäßig coachen, wobei ich in meiner Arbeit gespiegelt werde. Und dann sehe ich auch, wann ich das eine oder andere hätte anders machen können. Dennoch glaube ich, dass gerade in den Krisen des Vereins meine psychologische Arbeit mit Spielern, Trainern, Verantwortlichen und Mitarbeitern des Vereins mithalf, diese Situationen zu meistern. Wie gesagt, ich maße mir nicht an, für die Leistung eines Spielers verantwortlich zu sein. Ich kann ihn unterstützen, fordern, fördern oder mit ihm kritisch umgehen, was auch häufig vorkommt.

Manche Leute sehen es kritisch, dass du eine Führungsposition im Verein innehast und psychologisch mit Spielern und Trainern arbeitest. Beißt sich das nicht?

Martin Meichelbeck: Letztlich bin ich nur ein Angebot, das man wahrnehmen kann, aber nicht muss. Natürlich bin ich eine der Führungspersonen im Verein, dennoch kann ich auch eine Vertrauensperson für einen Einzelnen sein. Die Qualität der Gespräche mit Spielern und Trainern hängt immer von der jeweiligen Beziehung und der Gesprächsführung ab. Wenn ein Spieler oder Trainer spürt, dass er von der Zusammenarbeit und von den Gesprächen mit mir profitiert, wird er es dankend für sich nutzen. Und dann ist die Position im Verein gar nicht mehr so entscheidend.

Wir haben bei der SpVgg noch sehr Vieles zu entwickeln.

Das Interview ist jetzt ein wenig länger geworden, aber das ist ja kein Wunder bei den vielen Themengebieten, die Du bearbeitest...

Martin Meichelbeck: Auf der letzten Mitgliederversammlung ist ein Herr aufgestanden und hat gefragt, ob ich die 40 Stundenwoche überhaupt vollkriege. Ich selbst war nicht vor Ort, da ich einen Termin in München hatte. Das fand ich schon amüsant, zeigt aber auch, dass die Leute nicht so genau wissen, was und wie ich arbeite und bin deshalb froh, dass wir dieses längere Interview geführt haben.

Ich bin 60-80 Stunden, 6-7 Tage die Woche für den Verein unterwegs, das ist mein Job, der mir sehr viel Spaß macht. Ich kann hier in meinen Verantwortungsbereichen, in regelmäßigen Absprachen mit meinen Kollegen, gestalten und entwickeln, auch mal über mein Arbeitsprofil hinaus wie beispielsweise die Entwicklung der Infrastruktur mit Trainingszentrum der Profis, NLZ, Stadionumbau, etc. Letztlich verantworte ich Bereiche bei uns, die bei anderen Bundesligisten drei Personen abdecken und das ist natürlich viel, macht mir aber vor allem viel Freude. Man redet von und wünscht sich ja immer Identifikation. Ich war in meinen 20 Jahren Profifußball nur für zwei Vereine tätig und ich glaube, wir haben bei der SpVgg noch sehr Vieles zu entwickeln.

 

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